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Re: Hotti

BeitragVerfasst: 26.11.2021, 13:51
von Hotti
Rapunzel

Lang ist es her, dass wir die Märchenbände der Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm vorgelesen bekamen, später selbst gelesen und in der folgenden Generation den eigenen Kindern nicht nur als Gute-Nacht-Geschichte, sondern meist sogar mit ausschmückenden Worten erzählt haben. Ja, ja, die Grimms waren wahre General-Genies, womit die sich schon in ihrer Zeit beschäftigt hatten! Sie sind keineswegs nur Märchen-Onkel, vielmehr Sprachwissenschaftler und -forscher, also Philologen erster Güte von denen wir bis heute profitieren. Jedenfalls ist mit der Geschichte von Rapunzel (und wer kennt sie nicht?), sofern irgendwo ein verlassener Turm in der Gegend herumsteht, beim näheren Betrachten, sofort der Name parat ist. Es könnte ja sein, dass auch heute noch die Märchensehnsucht durch praktischen Versuch erfüllt werden könnte. Also, probieren in der Möglichkeitsform: Nach Zuruf müsste das süße Mädel mit dem bis ins Unendliche gewachsenen langen, blonden Zopf, denselben herunterwerfen, um sie besuchen zu können. Wahrscheinlich eher nicht, denn wir sind schließlich weder Zauberin noch der erlösende Prinz. Uns bleibt letztlich nur die profanste aller Lösungen: Touristen, Obrigkeitseinsatz. Und wir unromantischen, der Zukunft zugewandten Realos denken automatisch an Steigleitern, Räumung der Notunterkunft, Sozialhilfe, Obdachlosenfürsorge. Nichts da, von wegen Partnership. Rapunzel hätte keine Freu(n)de mehr.

Als Touris (die Obrigkeit ist Streichergebnis) waren wir heute allerdings nicht unterwegs, ganz im Gegenteil. Nicht auf der faulen Haut, nicht bei schönem Wetter und selbst der Müßiggang fiel aus. Ein Versprechen stand heran. Eben, Rapunzel. Donnerstag, entweder Kladow oder Zehlendorf/Wannsee, neuerdings auch exklusiv herausgesuchte, nicht sehr oft besuchte und auf jeden Fall hoch interessante, bestimmt jedoch überraschende Zielbereiche, die gut ins Läufer*innen-Repertoire passen. Treffpunkt Chalet Suisse nahe Clayallee, Verlängerung der Dahlemer Königin-Luise-Str., direkt im Wald. Von hier an auf einer Route, die in meiner Version bestimmt noch nie gelaufen worden ist.

Erst einmal richtig rein in den Wald. Natürlich nicht auf den wirtschaftlich wichtigen Hundewegen (ganze Scharen von Betreuer*innen mit dem zahlreich gemischten Vierbeinervolk sind zu beachten), sondern querwaldein auf schmalen Pfaden, laufgeeignet. Zuerst ein Regenbecken, vornehm ausgedrückt, dann der Pücklerteich. Beide sind vor einigen Jahren fast topographisch einwandfrei renaturisiert worden. Und siehe da, die Straßenentwässerung aus der umliegenden Örtlichkeit sorgt mit Vorfilter für klares Wasser, um eine Stinksuhle zu vermeiden. Nun Kultur, gleich nebenan am Teich mit der Galerie (Rosen) Atelierhaus Berlin und der Bernhard Heiliger-Stiftung im Käuzchensteig. Um die Ecke das für mich intimste, angenehm gelegene Brücke-Museum der modernen Malerei im Bussardsteig. Wir sind in Dahlem am Rand des Grunewalds. Nicht mehr lange, denn es geht weiter über den Luchsweg in Richtung Eichhörnchenweg, da wo die Haute Volée Berlins im Tennisclub Blau-Weiß ihrem sportlichen Vergnügen auf herrlichem Areal nachgeht. Schnuppern wäre gut gewesen, doch wir suchen Rapunzel.

Oberhalb des Grunewald-Hundebades gelangen wir zum Hüttenweg und laufen durch das Natuschutzgebiet „Langes Luch“, das die Seen-Kette Krumme Lanke, Riemeisterfenn und Grunewaldsee kanalartig verbindet. Am ehemaligen idyllischen mit Reetdach gedeckten Wasserwerkgebäude oberhalb der Lanke, von dem übrigens nach „heißem Abriss“ nur noch eine vor sich hindämmernde Ruine übrigblieb, ging es langsam zurück zum Ausgangspunkt. Noch nicht ganz, erst noch vorbei an den ehemaligen Terrassen eines vor Unzeiten aufgegebenen Ausflugslokals (heute nur noch Pferdesportverein für Betuchte) kurz vor der Onkel-Tom-Str. Schade, noch liegt kein Schnee (ob er wohl noch kommen mag?), denn die 500 m lange Rodelbahn abseits, hätte eine willkommene Bereicherung des Laufens gewesen sein können, vorausgenommen, die „Eisente“ oder der zusammengekoppelte „Zweier“ wären mittransportiert worden. Erst noch einmal um ein ehemaliges Munitionsdepot (heute Schafweide und Naturschutz) herum, dann - jetzt kommt`s - eine kurze Querung des Hüttenwegs, nur noch zweihundert Meter, einen Knick nach rechts (immer noch nichts zu sehen), noch einmal rechts, und?

Da steht er. Von 20 m hohen Bäumen eingerahmt, gut getarnt, darum oft übersehen, der „Rapunzel-Turm“. Gut 17/18 m hoch mit überstehendem Dach, kleinen Luken, ansonsten schutzumzäunt. Was konnte das gewesen sein? Aussichtsturm, obwohl im Internet vermerkt, aber denkste. Früher diente er einmal mit vier weiteren Türmen als Vermessungsturm zum Festlegen von Koordinaten. Heute hat das Bauwerk längst ausgedient, die anderen vier fielen der Spitzhacke zum Opfer und am hiesigen nagt der Zahn der Zeit.
Allein, Rapunzel, wo mag sie stecken? Party? Geht ja alles nicht mehr. Handy? Kein Anschluss unter der Nummer 0180 6232700, und wenn, dann auch noch recht teuer, also Vorsicht (nicht versuchen), Touristenfalle!

Nur knappe 11 km kamen zusammen. Trotz vieler Pausen, dennoch kurzweilig. Zum Schluss wurde uns kalt, keine Muße mehr für den Kaffee unter freiem Himmel.

Mein nächster Vorschlag lautet: Hahneberg. Wer mitläuft, bitte vorbereiten (nur als Vorwarnung). Rapunzel mussten nur sechs ertragen. Der 7. war entschuldigt. Hätten mehr sein können. Geboostert? Die meisten ja, die anderen, wenigstens zweimal, oder wat?

Horst

Re: Hotti

BeitragVerfasst: 26.11.2021, 20:09
von Lauffreak
Lieber Horst,
nach deinem Bericht bedauere ich es um so mehr, nicht dabei gewesen zu sein.
Aber sehr anschaulich und kurzweilig geschrieben. Danke!
Da die Handwerker am Donnerstag nicht fertig geworden sind, musste ich sogar
am Freitag das Bergtraining mit Flocke ausfallen lassen.
Einen schönen 1. Advent wünsche ich Dir und Deiner Frau :sonne:
Klaus

Re: Hotti

BeitragVerfasst: 26.11.2021, 20:56
von Asphaltcowboy
Ein Foto gefällig? :ja:

Bild

Re: Hotti

BeitragVerfasst: 28.11.2021, 16:34
von Hotti
Da oben, seht ihr, die kleine Luke? Rapunzel müsste schon zwergenhaft gewesen sein, um sich überhaupt zeigen zu können. Wahrscheinlich hat sie schon vor überlanger Zeit (der Zopf hatte ausgedient) das Türmsche gegen eine komfortablere Unterkunft getauscht. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann.....

Horst

Re: Hotti

BeitragVerfasst: 06.12.2021, 20:40
von Hotti
Wandern, eine sehr beliebte, nicht zu unterschätzende Art des Laufens

Es gibt Tage im Leben mit Sport, die aufregend, spannend, interessant, notwendig, froh erwartet oder auch nur beiläufig wahrgenommen werden. So meist in dieser oder ähnlicher Kategorie könnten die Donnerstagläufe abgetan werden. Was auf jeden Fall noch fehlt, sind die fröhlichen, glücklich machenden, erkenntnisreichen und manchmal auch zum Nachdenken anregenden Trainingstage, von denen es leider viel zu wenige in der Woche gibt. Es ist zum Haare-Raufen (auch wer keine mehr hat), eine Woche mit nur sieben Tagen, davon nur 1 – 2 echt freie Tage, ist viel zu kurz, um nur mit all dem zu Rande zu kommen, was man sich vorgenommen hat. Die Oberschlauen werden sagen: „Plan machen, besser koordinieren, Kalender führen, Wichtiges und Unwichtiges abwägen.“ Freelancer hingegen sehen das ganz anders. Sie haben das Glück, bestimmte Zwangselemente abgelegt zu haben, sind also meist sehr selbstständige Personen, denen es primär weder auf Erfolg noch auf den schnöden Mammon ankommt, obwohl reines Vor-sich-Hinleben mit Sicherheit ausscheidet. Die Suche nach der verlorenen Zeit ist, selbst nach Marcel Proust, nicht unbedingt erfolgreich. Was bleibt dem/der Normalbürger/in? Einfach weitermachen. 7 Tage bleiben eine Woche - Verkürzung, Verlängerung ausgeschlossen.

Wer mit diesen kruden Überlegungen nicht klar kommt, kann das Vorstehende einfach streichen und sich mehr auf das nun folgende Laufgeschehen konzentrieren. Wir, die kleine Gemeinschaft der ideenreichen Überall-Laufenden, treffen uns inzwischen bekanntermaßen immer donnerstags, und zwar vormittags – nach Abstimmung. Diesmal läuferisch völlig ungewohnt, am Westrand der Stadt. Wo das ist, wollt Ihr wissen? Gute Frage. In Spandau bei Berlin. Das ist da, wo jeder aus Berlin Einreisende noch immer zwei Bürgen bringen muss, die für einen gutsagen, sonst kommt er nicht über die Havelbrücken. Hat er die nicht oder kommt nach Brückenschluss, also zu spät, so muss der Fährmann mit nachdrücklichen „Hol-über-Rufen“ bemüht werden. Ich für meinen Teil habe brüderlichen Beistand. Nach 40 Jahren wohnhaft in Spandau, ehemals zugereist aus Reinickendorf, besitzen sie heute Daueranwesenheitsrecht, sind den gebürtigen Spandauern somit gleichgestellt. Insofern war die Einreise problemlos. Das nur am Rande.
Unser Ziel waren zwei grüne Berge, besser Erhebungen an der Grenze zu Brandenburg, näher bekannt als ehemaliges militärisches Fort Hahneberg. Treffpunkt Wilhelmstraße E. Weinmeisterhornweg. Auf geht`s, ein bisschen Laubenpiepern, dann nehmen wir einen zwei km langen Pfad und schon kommen einem für Berliner Verhältnisse tatsächlich zwei Berge vor die Augen. Der erste ein Schuttberg, schön begrünt, gleich dem Teufelsberg, nur nicht so bekannt. Auf 70 m Höhe befindet sich nun die Laufgruppe, die emsigen Schrittes dem flotten Wind trotzt und auf der Kuppe oben angekommen ist. Und jetzt die Sicht: Ooooh, toll.

Wer hoch läuft muss meist wieder runter. Das Gelände hat etwas, im Winter vielleicht noch mehr als in schneefreier Zeit. Ski und Rodel gut, wenn die Erderwärmung aufgehalten werden kann. Uns bot sich wiesenhaft welliges Gelände an, das wir auf guten Wegen schlängelhaft durchliefen, ehe wir an eine Einfahrtsschneise kamen. Die endete an einem Tor, wo es in der Zeit von April bis Oktober zu üblichen Besuchszeiten keinen Zuschluss gibt. Jetzt aber, wo wir reinwollten, nix da. Weil – Winterschlaf. Nicht das ehrenamtliche Personal, sondern eine ordentliche Fledermaus-Population hat Quartier im letzten 1888 gebauten Artilleriefort von Deutschland genommen. Ursprünglich bestand die Aufgabe, Spandau zu schützen. Nun sagt sich der Eingereiste, ein Glück, dass das heute nicht mehr so ist.

Vor uns musste sich niemand schützen, nicht einmal Hunde, denn wir, wir beißen ja nicht. Um das Thema nicht zu verfehlen, zur Titelseite. Berge zu erklimmen, verlangt Kraft, Kondition, eben, ein bisschen mehr Puste. Bis zur Hälfte des Höhenlimits geht das meist noch recht geht. Dann merkt der in Jahren gewelkte Körper, hey, Mann, guck mal auf deinen Puls! Und der einem zugeordnete Körper hat recht, verkürze die Schrittlänge. Hilft selbst das nicht mehr, dann gibt es ein erstklassiges Mittel, seine Selbstachtung nicht zu verlieren: Gehen oder auch Wandern. Manche sagen auch Walken, was allerdings mehr mit "Kampfwandern" zu definieren ist. Oben auf dem Hügel, Berg, meinetwegen auf der Zugspitze angekommen, ist die Aussicht genau so schön, als wäre der Anstieg im zügigen Laufschritt geschafft worden. Wir können es auch so beschreiben: Wandern am Berg lässt Unterhaltung zu. Im gehobenen Laufschritt sieht das ganz anders aus, da kommt nur bruchstückhafte Kommunikation auf. Die Mehrheitsentscheidung am Hahneberg kam weder per Vorgabe, Handzeichen oder in Absprache zustande. Vielmehr durch eigene Aktion. Ja, ja, das kostet natürlich Zeit, und - die hatten wir.

Genusslaufen rund um den Hahneberg, ein kleines Stück West-Staakener Heerstr. und dann wieder rein in das von uns noch nie gelaufene Terrain. Es war so schön, dass wir gar nicht bemerkten wie die Zeit verging und sich ausgerechnet zwei große Straßen (Gatower Str. und Wilhelmstr.) querend in den Ablaufplan schlichen. 11 km genau auf den Punkt. Beim Ritterfeldbäcker in der Wilhelmstr. lohnt es, Brot zu kaufen, denn Frühstück gab es erst zuhause. Den mitgebrachten Kaffee und ein paar Kekse haben wir dennoch nicht verschmäht. Belohnungen müssen sein.

Horst

Re: Hotti

BeitragVerfasst: 09.12.2021, 23:59
von Hotti
Juchhe, der erste Schnee

Woran soll der normal gestrickte Mensch eigentlich noch glauben? Kaum ist ein Tag vorbei oder ein neuer hat begonnen, es gibt keinen Unterschied, weil sich zu jeder x-beliebigen Stunde Nachrichten verbreiten, die Aufmerksamkeit erfordern, Begehrlichkeiten wecken oder zum Konsum auffordern, schließlich Meinungsbildung oder auch -manipulation betreiben. Zu guter Letzt erhofft sich Otto-Normal-Verbraucher zur täglichen Einschätzung des Tages einfach nur klare, eindeutige Mitteilungen, die alle bis zum Drittklässler verstehen. Ich rede nicht von der weltpolitischen Lage, von der gerade zu Ende gegangenen neuen Regierungsbildung und überhaupt nicht von den derzeitigen Corona-/Delta-/Omicron-Schreckenszahlen. Und doch, alle müssen diese zu Kenntnis nehmen, in irgendeiner Form verarbeiten und sich Gedanken machen, wie gehe ich damit um. Wenn das so einfach wäre. Nein, ist es nicht. Oft genug reicht es, darüber nur Schlagzeilen zu lesen, schon schwillt der Hals. Da wird bereits von der Viert-Impfung gesprochen, obwohl nicht mal die Booster-Notwendigkeit bisher erfüllt werden konnte. Die Neuregierung muss es packen, niemand beneidet sie. Die Presse trägt Verantwortung, aufgefordert, insbesondere den Mist der Sensationshascherei zu unterlassen. Und wir sollten den Internet-Trailern, gemeint sind Chaos-Szenarien, mal richtig die Kante geben. Kein Klick, einfach dahin gehen, wo und wie es beliebt.

Schon sind wir beim Wetter, das unverfänglichste, meist wichtigste Thema des Tages. Wir wissen nunmehr seit Längerem, Wetter ist zum erheblichen Teil selbstgemacht - von uns! Kein weiterer Diskurs hier an dieser Stelle. Darum, was heute in unserer Stadt passierte, ist noch immer der naive Glaube an die Wettergerechtigkeit, so, wie es früher einmal war. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Letzterer steht zwar erst in wenigen Tagen auf dem Kalender, doch heute, noch immer Herbst, da kehrte er vorzeitig ein und bescherte uns eine Landschaft, die reine Städter seit Jahren vergessen haben. Morgendliche Blicke aus dem Fenster trügen nicht: Endlich, lang ersehnt, der erste Schnee. Die da oben in der Himmels-Wetter-Wolken-Zentrale müssen für unseren Bereich vorsichtig das Füllhorn zum Tröpfeln gebracht haben. 2 ¾ cm Schnee auf den Straßen von Berlin, das reinste Chaos. Könnte von „Bild“ stammen.

Fast war es zum Feixen. Da stehen etliche im rutschigen Stau, und? Wo stehen wir, die Donnerstagsläufer*innen? In freier Flur, es ist ja, unbeschadet von den meteorologischen Vorhersagen, üblich, diesen in jeder Weise zu trotzen. Gesagt, getan. Schnee dämpft, alles wird leiser, vor allem, die Schuhe erhalten wieder eine saubere Auftrittsfläche. Es ist sinngemäß wie mit der sauberen Autoscheibe, das Auto fährt besser. Schnee besänftigt, kein Drang zum Schnelllaufen, konzentriert, weil Rutschgefahr und Stolperstellen raffiniert versteckt sind. Heute, bei fünf an der Zahl, lief alles blendend, niemand schlidderte in die Horizontale und auch das 7erTempo ließ jede Menge Erzählstoff zu. „Die Zehlendorf-Runde“ bietet Kurzweil zwischen Flora, Häuschen-Zeilen und Seeflächen. Eine feste Beschreibung gibt es nicht; sie ist jederzeit wandelbar, wobei der Grenzübertritt nach Kleinmachnow diesmal ausfiel.

Die Streckenlänge kann individuell von 12 km bis unendlich variiert werden: Krumme Lanke – Rodelbahn – Holzungsweg - Im Fischtal – Gemeindewäldchen , dann die Potsdamer Str. (später Chaussee) überquerend zum Paul-Mebes-Park – Königsweg – Buschgraben- entlang der ehemaligen Stammbahn – am Luxus-Knast Düppel vorbei – weiter auf dem Mauerweg bis zum Abzweig Am Waldhaus. Jetzt nach Schlachtensee und zurück zur Krummen Ranke. Die Rehwiese sollte eigentlich auch noch drin gewesen sein, aber die Zeit drückte für andere Termine (oh, die „schlimme“ Vorweihnachtszeit). Immerhin 14,89 km und der Glaube an das normale Leben ist ein bisschen vom derzeitigen Schieflageneindruck befreit worden.

Wer das nicht glaubt, sollte auf selbst gewähltem Kurs 90 Minuten Zeit opfern, um diese Lauferfahrung zu machen. Tempo? Iwo, spielt keine Rolle.

Horst

Re: Hotti

BeitragVerfasst: 10.12.2021, 17:58
von Marion
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Re: Hotti

BeitragVerfasst: 11.12.2021, 19:08
von Hotti
Der Drang, an Wettkämpfen teilzunehmen

Liebe Hübianer*innen,

keine Angst, euch wird keine lange Story übergeholfen, nur ein paar Anmerkungen zu

• virtuellen, angekündigten oder abgesagten Läufen.

Dass nun, leider, leider, aber auch verständlicherweise lange geplante Laufteilnahmen den Bach runtergehen, weil es Mutanten begründete Verbotsregelungen zu beachten gilt, dürfte wohl kaum ausreichen, einen Marsch mit Protesttransparenten durch zentral gelegene Laubenkolonien anzuzetteln. Überhaupt, das stinkt einen doch, dieses ewige Nörgeln (Verletzungen der Freiheitsrechte, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit) und schließlich von nicht unerheblicher Anzahl, Impfverweigerung bis hin zur Corona-Leugnung. Mein Gott, klage ich ihm, wo haben die Leute ihren Grips gelassen?

Kurz: Abgesagte Läufe sind nur verschoben, die kommen wieder. Virtuelle Läufe, eine listige Neuerfindung, mögen ja bezüglich des schnöden Mammons wegen für die Veranstalter, die ja eigentlich gar nichts veranstalten, sondern nur verwalten, durchaus legitim sein, aber Wettkämpfe sind das nun mal nicht. Jeder private Trainingslauf mit Blick auf die Lauf-Uhr bringt den gleichen Effekt. Ja, aber die fehlende Medaille?! Nun aber, das ist doch Pippifax. Ich habe ca. 150 dieser Staubfänger in hinterster Ecke meines Heizungskellers deponiert. In wenigen Jahren landen die in der Verschrottung, wer will diesen Krempel später? Läufe, immer wieder: Ja, aber solange die Pandemie nicht besiegt ist, keine massenhaften Wettkämpfe. Einzelläufe oder wie bei uns, Laufen um der Freude wegen in kleinen Gruppen unter Beachtung der Hygienemaßnahmen und natürlich, bitteschön, geimpft, geboostert und geläutert (so kann 3G auch lauten), allzu gerne.

Horst

Re: Hotti

BeitragVerfasst: 27.12.2021, 22:51
von Hotti
Vorbescherung

Wenn am 24. Dezember der Weihnachtsmann, das Christkind oder niemand vor der Tür stehen, ist das nicht verwunderlich, sondern normal. Anders wäre es, die genannten Herrschaften kämen zu früh, zu spät oder gar nicht, na, aber hallo! Das geht wohl nicht. Bei Niemand ist`s eh wurscht, es kümmert nicht. Nun ist das Datum passè, die Aussicht auf Neues steht unmittelbar vor der Tür. Ehe das passiert, drückt mich dann doch die (fast) vergessene läuferische Chronik Stunden vor dem Fest.

Hier ist sie:

Es begab sich aber zu der Zeit……. keine 24 Stunden vor dem noch immer bewegenden Geburtsereignis von vor 2021 Jahren, dass eingedenk dieser Tatsache, Laufen genau das Richtige wäre, dies am 23. Dezember zu tun. Diesen Einfall hatten nicht viele. Leider nur fünf. Die anderen, verhindert, versäumt, vergessen (3 x V), brauchen nichts zu fürchten, die Laufpflicht findet keine Mehrheit. Jedoch, und jetzt komme ich zu einem echten Scharfmacher, wer die ausgedachte Tour an jenem bewussten Donnerstag (also am 23.12.) nicht mitgemacht hat, muss den gespannten Kindern oder Enkeln eingestehen, Märchenstunde nach der Bescherung fällt aus. Ist wohl logisch, wer nichts erlebt, wird kaum soviel Esprit versprühen, wie wenn begeisternde, züngelnde, ja, abenteuerliche Begebenheiten zu Geschichten geformt werden können. Drum will ich einmal der Märchenonkel sein:

Weltkulturerbe kennt wohl jeder. Zu einem, wenngleich viele Objekte gleichzeitig darin enthalten sind, führte die Spur. Es fing ganz harmlos an. Treffpunkt 9.30 Uhr, 500 m vor Schloss Glienicke auf der rechten und gleichzeitig 500 m vor dem Jagdschloss Glienicke auf der linken Fahrbahnseite der Königstraße von Berlin kommend und noch zu Berlin zählend. Nun soll niemand glauben, dies wäre ein Spaziergang, obwohl es gleich von Anfang an steigend zuging. Sagen wir, 700 m waren`s, da kam das erste Aaah. Loggia Alexandra. Dieser kleine Bau im Stil der florentinischen Frührenaissance mit herrlichem Blick in der Sichtachse zum Babelsberger Schloss und entfernter, verschleiert das Zentrum Potsdams, ist ein Kleinod und wenig bekannt. Die Fresken bräuchten Zeit zum Angucken. Die Loggia bildet die Spitze Böttcherbergs und deshalb kam nach Umrundung des kleinen Klinkergebäudes, das an der vorderen Seite mit Glastüren wohlverschlossen ist, ein bergab, rodelgeeignetes, wenn denn Schnee, Geläuf in Betracht, das richtig Spaß machte. Mit leichten Windungen verläuft der Pfad nach Klein-Glienicke, ein winziger Ort, schon zu Potsdam gehörig, stets jedoch abseits gelegen, wie noch heute.

Eine Schlüsselstellung gibt es: Die Park-Brücke am Auslauf des Griebnitzsees in die Havel, der sich Glienicker Lanke nennt. Wer hier drüber geht oder wie wir, läuft, erreicht ein Paradies. Der Garten des Schlosses Babelsberg. Zu DDR-Zeiten noch im Zustand der Agonie, kurz vor dem Zusammenbruch, erstrahlt heute nach langjähriger Restauration in derartiger Weise, dass ein MUSS eingeplant sein sollte, alles kennenzulernen. Wir aber, schnur-stracks unterwegs, wählten die Außenumrundung des Parks. Die am Rande des Parks liegenden zweckmäßig-hässlichen Uni-Bauten würdigten wir keines Blickes, denn das ansteigende und abfallende, weitläufige Gelände forderte vielmehr Aufmerksamkeit. Wir orientierten uns in Richtung HBf Potsdam, genau dorthin, wo der legendäre Annalena-Marathon Anfang Juni sein Startdebüt gab.

Der Lauf dorthin ist nicht mehr Park, aber langhin wasserwärts unter der Nuthe-Schnellstraße hindurch. In Sichtweite des Bahnhofs machten wir die Kehre und nun wieder rein in den Park. Da steht er nun, der fantastische Flatowturm, zwar noch nicht uralt (1853 – 56), wohl ein Aussichtsturm mit 46 m Höhe im Neugotischen Stil und nur zu repräsentativen genutztes Objekt, in Zeiten Kaiser Wilhelms I. Wer mal oben war, wird die Schönheit des Ausblicks nicht vergessen (im Winter geschlossen). Gleich gings weiter, wir liefen vorbei am Seemannsheim, sahen die Gerichtslaube. Zu beiden ließe sich viel sagen. Dann der „echte Garten“ mit Siegessäule, Marstall und kleinem Schloss, von Rosengarten und -laube ganz zu schweigen. Und nun „Grand Plaisir“ das Schloss selbst. In Neugotik ganz im englischen Tudorstil 1833 für den Kronprinzen und späteren Kaiser Wilhelm I. als Sommerresidenz erbaut, hat seine einmalige Gestaltung und Lage am Tiefen See, genau vis-á-vis der Glienicker Brücke, bis in die heutige Zeit bewahrt. Karl Friedrich Schinkel, das Universalgenie und sein Schüler Ludwig Persius, der Architekt der Sacrower Heilandskirche, sowie Johann Strack, die Architekten, lassen grüßen. Abschließend der Ausblick auf die Agentenbrücke. Das ist einfach grandios, dieses Postkartenidyll. Glatt könnte ich schwärmen vor lauter Verzückung, schon weil die fast jahrzehntelange, behutsame Sanierung und Restaurierung, ich möchte sagen, klassisches Erleben gebracht hat.

Das alles im Lauftempo, nur mit gelegentlichen Stopps. Abwärts ging es am Maschinenhaus vorbei zurück über die Brücke, heimlich von der Seite durch einen kleinen, offiziellen „Verschlag“ rein in den Pückler-Jagd-Schlosspark Glienicke. Den zu durchqueren kostet nur Minuten, nun unter der eben genannten Zugangsbrücke nach Potsdam hindurch bis zum Hirschtor (übrigens Wendepunkt beim Havellauf) am „richtigen“ Schloss Glienicke, das wir alle kennen. Doch wer weiß um die klassizistische Gartenkunst und wer kennt dieses Juwelstück der Potsdamer (obwohlauf Berliner Seite gelegen) Kulturlandschaft richtig? Ha, da fehlt`s - auch bei mir in Stücken.

Noch ein paar Schritte durch den Park am durchaus empfehlenswerten Schloss-Restaurant und Cafè vorbei bis zum Startpunkt am Wegweiser Loggia Alexandra. 12,5 km gehen schnell vorbei. Fünf Läuferinnen und Läufer wissen das.

Noch eine Weisheit zum Jahresausklang: Je mehr man weiß, umso mehr weiß man, dass man nichts weiß. Mir geht das ständig so.

Alles Gute zum Rüberrutschen 2021/2022 und, bitteschön, gesund bleiben!

Horst

Re: Hotti

BeitragVerfasst: 29.12.2021, 12:00
von Hotti
Sünden in der Jahresendzeit

Egal wieviel Stolle, Printen, Lebkuchen, Plätzchen oder anderen Süßkram ich esse, meine Laufschuhe passen immer noch!

Geheimtipp: Das Hüftgold kann in genau 26 ½ Tagen verschwunden sein. Merke: F d H.

Wer sagt`s denn, Sünde kann auch Liebe sein, oder wie war das? Und nicht vergessen: Selbst in Zeiten der Kümmernis, die Freude und das Lachen beibehalten, denn das ist das wahre Leben, was wieder Auftrieb verschafft.

Alles Liebe und Gute im Jahr des Tigers

Horst