Lauftreff Berlin | Hübis-Laufforum | LT Bernd Hübner | Seit 1999!

Laufsport Berlin | BERLIN läuft | Läufer-Hauptstadt Deutschlands | Sport soll Spaß machen | Einfach hinkommen und mitmachen

Slow Jogging: Laufen für Faule, "Zeit Online" vom 02.06.2023

Infos, Tipps und Ratschläge

Slow Jogging: Laufen für Faule, "Zeit Online" vom 02.06.2023

Beitragvon Hübi » 23.06.2023, 08:56

Laufen für Faule
Nicht rennen, sondern trippeln: Slow Jogging ist ein Trendsport aus Japan, gesund noch dazu. Wichtig sind Schrittfrequenz, Technik, Haltung. Und tatsächlich: Lächeln.
Von Lukas Brems

Petra Falkenbach stellt noch eben das Metronom ein, 180 beats per minute, in etwa so schnell wie Elton Johns I’m still standing, und schon kann es losgehen. Am Aachener Weiher in Köln drehen noch andere ihre vormittägliche Laufrunde. Aber so viele kleine Trippelschritte, wie es die Metronom-App Falkenbach vorgibt, macht niemand. Die Sporttherapeutin stört das nicht. Sie erklärt, was sie tut: "Arme locker am Körper, Hüfte gestreckt, Blick in die Ferne und lächeln." Willkommen beim Slow Jogging.

Slow Jogging, so steht es in einem Flyer des Deutschen Wellness Verbands, ist die "wohl leichteste, gesündeste und vergnüglichste Laufbewegung der Welt". Wer beim Slow Jogging nicht mehr lächeln kann, macht etwas falsch. Es ist ideal für alle, die wegen Knieproblemen nicht mehr joggen können, oder gar nicht erst damit anfangen wollen, weil angestrengt durch den Park hecheln nicht ihrer Vorstellung von Freizeitspaß entspricht. Laut slowjogging.de eignet sich der Laufstil besonders für "diejenigen, die sich als unsportlich bezeichnen".

Aber Petra Falkenbach will Slow Jogging nicht als Aktivität für Unsportliche oder Alte missverstanden wissen. Es sei für alle, "egal ob für Sportstudenten oder 90-Jährige". Anders als der Name suggeriert, muss Slow Jogging nicht unbedingt langsam sein. Entscheidender als die Geschwindigkeit sind Schrittfrequenz und Technik. 180 Schritte pro Minute sollten es sein. Ein Metronom hilft, um zu Beginn ein Gefühl für das Tempo zu bekommen. Ebenfalls wichtig: Aufrecht laufen und auf dem Mittelfuß landen. "Die Ferse küsst nur ganz sanft den Boden", sagt Falkenbach. Die meisten Menschen würden über die Ferse laufen. Warum das auf Dauer nicht gut für den Körper ist, lässt Falkenbach ihre Klienten selbst erleben: Beim Hüpfen auf der Stelle merkt man sofort die stärkere Erschütterung, wenn man auf der Ferse statt auf dem Mittelfuß landet.

Durch den Mittelfuß-Lauf schont Slow Jogging die Fuß- und Kniegelenke. Generell gehört es zu den Grundprinzipien des Laufstils, Überlastung zu vermeiden. "Nach dem Slow Jogging sollte man das Gefühl haben, dieselbe Strecke noch mal laufen zu können", sagt Falkenbach. Anfängern, die länger keinen Sport gemacht haben, rät sie daher, sich langsam ranzutasten. "Für den Einstieg kann man zum Beispiel eine Minute laufen und dann wieder 30 Sekunden gehen", sagte sie. "Die meisten wollen zu schnell zu viel." Slow Jogger sollten sich immer unterhalten können, ohne dabei in Atemnot zu kommen.

Wer fitter ist, kann also auch schneller slow joggen. "Niko niko", japanisch für lächeln, ist die einzige Tempovorgabe. Erfinder des Slow Joggings und der "niko niko pace" ist ein japanischer Physiologie-Professor: Hiroaki Tanaka. Vor fünf Jahren verstarb er, sein Todestag, der 28. Mai, wurde zum internationalen Slow-Jogging-Tag ernannt.

Durch ihn bekam Slow Jogging eine wissenschaftliche Basis. Auf der Website von Slow-Jogging-Deutschland wird auf mehrere Studien verwiesen, die darauf hindeuten, dass Slow Jogging trotz der geringen Belastung gut für den Körper ist. "Mühelos" soll man laut Website damit abnehmen können. Ein Aspekt, der gern von Medien aufgegriffen wird. Slow Jogging wurde bereits als die "entspannte Art abzunehmen" bezeichnet und mit "Sieht doof aus, macht aber schlank!" betitelt.

Tatsächlich verbrennt man nicht zwangsläufig mehr Kalorien, nur weil man flotter unterwegs ist. "Solange man bequem laufen kann, ist der Energieverbrauch pro Meter im flachen Gelände weitgehend konstant", sagt Ralph Beneke, Sportmediziner und Professor an der Philipps-Universität Marburg. Für eine mittelmäßig fitte Hobbyläuferin macht es also keinen Unterschied, ob sie einen Kilometer mit 10 oder 15 Stundenkilometern läuft. In der Theorie eignet sich langsames Laufen genauso zum Abnehmen wie schnelleres Laufen. Man muss allerdings mehr Zeit investieren. "Wenn ich schneller laufe, verbrenne ich pro Zeit mehr Energie", sagt Beneke.

Jarle Berge untersuchte in seiner Doktorarbeit, wie sich Bewegungsintensität auf die Lebensqualität von adipösen Menschen auswirkt. Er hält intensives Training für effektiver und "am vorteilhaftesten", wenn es darum geht, Gewicht und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verringern. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass sich auch mit niedriger bis moderater Intensität ähnliche Effekte erzielen lassen. An Berges Studie nahmen 71 stark übergewichtige Patientinnen und Patienten teil. Anders als die Forschenden vermutet hatten, verbesserte intensiveres Training die Gesundheit der Probanden nicht mehr als ein moderates Trainingsprogramm (Berge et al., 2022).

Muss Sport also gar nicht anstrengend sein, um gesünder zu machen? "Sobald ich mich bewege, ist das super", sagt Christoph Zinner, Experte für Ausdauersport und Professor an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit. "Die Mitochondrien werden angesprochen, die Leistungsfähigkeit wird besser, und das schon bei niedrig-intensivem Joggen."
Dass Bewegung, vor allem Gesundheitssport, nicht immer anstrengend sein muss, ist schon länger bekannt. In den vergangenen Jahren dominierte allerdings eine Trainingsmethode, die als das Gegenteil von Slow Jogging bezeichnet werden kann. An "high intensity interval training", kurz HIIT, kommt man seit den 2010er-Jahren weder in Fitnessstudios noch in sportwissenschaftlichen Fachmagazinen vorbei.

Beim hochintensiven Intervalltraining werden kurze Schübe extremer Anstrengung mit Ruhephasen abgewechselt. Im Leistungssport wurde diese Methode bereits in den 1950ern populär. Einige Athleten waren damit äußerst erfolgreich. Sir Roger Bannister, der als erster Mensch eine Meile in unter vier Minuten lief, soll das 1954 mithilfe von Intervalltraining geschafft haben.

Im Breiten- und Gesundheitssport etablierte sich HIIT ebenfalls. "Der High-Intensity-Trend hat den Menschen das Gefühl gegeben, nur durch diese Art von Training etwas erreichen zu können", sagt Zinner. Das sei aber falsch. Der große Unterschied zwischen HIIT und niedrig-intensivem Training liege nicht in der Wirkung, sondern im Zeitaufwand. "HIIT führt relativ schnell zu Effekten. Die kann man auch mit weniger intensivem Training erreichen, man braucht nur mehr Zeit."

"Nicht 42 Kilometer laufen, sondern noch 42 Jahre"
Grundsätzlich gilt aber: "Sport muss nicht immer wehtun, um positive Effekte auf Gesundheit und Leistung zu haben", sagt Zinner. Selbst professionelle Ausdauersportlerinnen würden hauptsächlich niedrig-intensives Training absolvieren. "Je nach Saisonphase sind das grob zwischen 80 und 90 Prozent." Marathon-Läufer Eliud Kipchoge soll in 11 seiner 13 wöchentlichen Trainingseinheiten mit einem Tempo von vier bis fünf Minuten pro Kilometer laufen. Zum Vergleich: Bei seinem Marathon-Weltrekord in Berlin lief er einen Kilometer durchschnittlich in 2 Minuten und 52 Sekunden.

Wer keine Marathon-Ambitionen hat, sondern joggt, um gesund zu bleiben, könnte ebenfalls von langsamerem Laufen profitieren. Im Rahmen der Copenhagen City Heart Study wurden Tausende Jogger und Nicht-Jogger untersucht. Die Jogger wurden drei Kategorien zugeordnet (leicht, moderat und strapaziös), basierend darauf, wie schnell, intensiv und häufig sie laufen gingen. Von allen Gruppen hatten die "leichten" Jogger die niedrigste Sterblichkeitsrate, während sich Nicht-Jogger, die viel rumsaßen, und "strapaziöse" Jogger in der Sterblichkeitsrate nicht signifikant unterschieden. Die "leichten" Jogger liefen pro Woche insgesamt weniger als 2,5 Stunden mit durchschnittlich 8 Kilometern pro Stunde. Um das "Sterberisiko zu senken", empfahlen die Autoren unter Berücksichtigung anderer Studienergebnisse "ein paar Mal pro Woche in moderatem Tempo zu joggen". Zur Verbesserung der Lebenserwartung sei "strapaziöse Bewegung nicht notwendig" (Schnohr et al., 2015).

Bei dieser Annahme setzt Slow Jogging an. "Das Ziel von Slow Jogging ist weniger, 42 Kilometer zu laufen, sondern noch 42 Jahre", sagt die Slow-Jogging-Trainerin Petra Falkenbach. Gerade ältere Menschen können von dieser Art zu laufen profitieren und, so legt es eine Untersuchung nahe, schon mit 180 Minuten Slow Jogging pro Woche ihre körperliche Verfassung verbessern (Ikenaga et al., 2017).

Für Falkenbach bietet Slow Jogging aber noch etwas anderes: Die Möglichkeit, der hektischen Welt etwas entgegenzusetzen. Sie hofft, "die Leute aus dieser Leistungsgesellschaft mal rauszuholen und ihnen zu sagen: Komm, mach doch slow". In ihrem Arbeitsalltag beobachtet Falkenbach häufig, wie Menschen versuchen, ihre anstrengenden Jobs mit ebenso anstrengendem Sport ausgleichen. Das Gegenteil wäre angebrachter: "Wenn man schon im Alltag eine sehr hohe Belastung hat, ist es gut, eine nicht so belastende, eher moderate Sportart zu betreiben."

Falkenbach empfiehlt, Slow Jogging fünfmal in der Woche für eine halbe Stunde zu machen. Man braucht dafür nicht viel, am besten Schuhe mit einer flachen, beweglichen Sohle, um die Landung auf dem Mittelfuß zu begünstigen. Und ein Metronom schadet auch nicht.
Liebe Grüße, Bild | Berlin-Marathon Jubilee Bild
Mobil: 0176 - 56 56 76 56
Meine Bestzeit 2:27:04 Std. beim 11. BERLIN-MARATHON 1984 :run: :throb:
Benutzeravatar
Hübi
Admin
Admin
 
Beiträge: 14584
Registriert: 20.12.2004, 23:41
Wohnort: Berlin-Zehlendorf


Ähnliche Beiträge


Zurück zu Rund ums Laufen

Wer ist online?

0 Mitglieder

cron