Anreize
Welche Überlegungen sind wohl notwendig, dass Gleichgesinnte etwas machen, was im eigenen Kopf herumschwirrt und in die Tat umgesetzt werden soll? Eigentlich völlig klar, Vorschlag machen, um Zustimmung oder Änderungswünsche bitten, Termin, Uhrzeit unbedingt und schließlich Treffpunkt ausmachen. Ich hatte und habe stets Glück mit der kleinen, aber doch sehr konstanten Laufgruppe innerhalb von Hübis Lauftreff, die sich dienstags jeweils am Mommsenstadion und donnerstags an vorher ausgemachten Orten trifft, um auf völlig unterschiedlichen Laufstrecken im moderaten Tempo unterwegs zu sein.
Angefangen hat das mit der Corona-Pandemie, in der alle Läufer*innen zunächst ziemlich verunsichert waren, überhaupt gruppiert zu laufen. Es spielte sich alles ein und, soweit ich weiß, gab es keinen einzigen Ansteckungsfall bei unseren Zusammenkünften und den gemeinsamen Läufen. Woran das wohl liegen mag? Ich bin sicher: Mit Verständnis und Rücksichtnahme, Beachtung aller Hygienemaßnahmen, Akzeptanz der Impfangebote und letztlich Einschränkung des privaten und beruflichen Umfangs der Kontakte. Lob hoch³. Heute ist vorstehendes Verhalten längst Allgemeingut. Wir können, nein, wir müssen damit leben.
Anreize. Der Vorschlag für heute war Stadtbesichtigung. 0h, kennen wir doch…ja, klar, doch etwas neu oder mit anderen Augen zu sehen oder Veränderungen zu entdecken, ist auf jeden Fall spannender, als ständig Kreuzworträtsel oder Sudoku zu lösen. Die überzeugendste Unterstützung für den Vorschlag kam von unserem Hefezopf-mit-Mandeln-Bäcker namens Rainer. Also Leute, der kann nicht nur gut laufen, noch besser, richtig gut backen und er versprach dazu Kaffee, auf Wunsch mit Milch. Wer denkt, bevor „die Arbeit“ getan ist, liegt falsch. Um das Angepriesene zu erhalten, muss gelaufen werden, demnach „verdient“ werden. Vieles überzeugte, am Lauf teilzunehmen. Erstens, die Strecke, zweitens das neu erlebte Stadtbild, unterwegs das zufällige, unverhoffte Treffen zweier Läufer`in, nämlich Hans Weippert und IKI, die übrigens ein ganzes Stück mit uns gelaufen ist, schließlich die herausragende gute Stimmung. Es gab keinen einzigen Moment, wo nicht geplappert, diskutiert, hingewiesen wurde.
Nun aber zur Streckenbeschreibung. Start am Schloss Charlottenburg. Albrecht von Preußen, ein Kronprinz, der nie zu majestätischen Ehren kam, aber eine interessante Personalie ist, thront mit seiner Statue in der Schlossstraße genau vis-à-vis vom Hauptportal des Schlosses mit Blickrichtung auf den Großen Kurfürsten hoch zu Ross auf dem Vorplatz. Genau dort trafen wir uns. Ich muss alle erwähnen: Hildegard, Kristina, Marion8, Marita, Gert, Horst, Rainer. Also gleich rüber über den Spandauer Damm zum Barock-Schloss, laufen am Langhansbau (Ostflügel) vorbei, um gleich mit der Spree Kontakt aufzunehmen, denn die Tour ist Spree geprägt. Vielmehr folgen wir dem für Berlin wichtigen Fluss in seinen Windungen von Charlottenburg bis Tiergarten/Mitte. Das ist möglich, jedoch an einigen Stellen behindert durch Wegearbeiten. Macht aber nichts. Immer längs des Wassers, unter, über Brücken, nach Moabit. Und spätestens hier beginnt das eigentliche Aha-Erlebnis.
Was in 20 – 30 Jahren bzw. seit der Wende hier alles erbaut, verändert oder instandgesetzt wurde, ist beeindruckend. Eine Besichtigungstour per Fahrrad oder auch gesellig als Wanderung ist empfehlenswert. Es sind vom Schloss bis zum Hauptbahnhof oder bis zum Reichstag/ Bundeskanzleramt etwa 7 km. Im Regierungsviertel angekommen, wird die Architektur von Charlotte Frank und Axel Schultes (2001 in Gemeinschaft) mit ihrem herausragenden Bau des Bundeskanzleramtes sichtbar, das dominierend auf die gesamte Palette aller umliegenden Bauten einschließlich des grandiosen Hauptbahnhofs (Architekt Meinhard von Gerkan, 2006) wirkt.
Wir wechseln die Flussseite am Bahnhof über den Steg, der als Fußgängerbrücke allen Berlin-Marathon-Teilnehmer*innen bekannt sein dürfte, wenn sie mit der S-Bahn am HBf. ankommen, denn sie führt in den Startbereich. Damit haben wir heute natürlich nichts im Sinn. Erst Ende September. Der Weg am Wasser führt uns direkt unter der Brücke durch, die das Regierungschefgebäude mit dem möglicherweise bald bebauten Garten verbindet. Kurz dahinter ist das Haus der Kulturen erreicht, das als ehemalige Kongresshalle heute ganz anders genutzt wird, wie der Name schon sagt. Zur Linken ist der Tiergarten erreicht und geradewegs zur John-Foster-Dulles-Allee kommt uns der Sitz des Bundespräsidenten mit Schloss Bellevue in die Augen. Weil wir jetzt linksseitig der Spree in Fließrichtung laufen, müssen wir etlichen Weg-Instandsetzungsarbeiten ausweichen. Wir kommen wieder, wenn das fertig ist und die Umwege entfallen.
So verlassen wir die Spree und orientieren uns zum Landwehrkanal, an dem wir wunderbar auf dem Begleitweg laufen können. Nun ist langsam Land in Sicht. Zwei, drei km noch, dann dürfte es reichen. Und da wir einige Pausen eingelegt hatten und auch nicht gerade vor lauter Ehrgeiz darauf brannten, unbedingt in einem Zeitfenster zu bleiben, war es neben der unvermindert anhaltend guten Laune ein Lauf, der unbemerkt bei 14,66 km endete. Hätte ich nicht gedacht, denn 12 – 13 km waren vorhergesagt, gewiss, die Baustellen-Umwege. Ihr werdet mir verzeihen.
Horst
P.S. Dankminute jetzt für Rainer …….. und ein, zwei Fotos kommen noch, aber erst morgen, bin müde.