Re: Hotti
von Hotti » 23.02.2022, 00:04
Alles hat ein Ende
Erfahrung ist ein Gut, dass niemand lernen kann. Es ist und bleibt eine zutiefst sehr persönliche Angelegenheit, die, bezogen auf die eigene Person, mit dem Erleben zu tun hat. Wer nichts erlebt, geht am Leben vorbei und kann nicht einmal feststellen, dass Fehler unvermeidlich sind. Wie langweilig, denn gerade sie sind es, die oft genug den Weg frei machen, um zu einer bestimmten, vorher nicht im Ansatz bedachten Erkenntnis zu gelangen. Fehler sind einfach dazu da, dass man sie macht, nur (alte Weisheit), zwei- oder mehrmals den gleichen zu machen, ist meist sehr unschön. Darum, wer den gleichen Fehler immer wieder macht, erntet Spott. Vor allem, weil es ja so viele andere gibt, als ausgerechnet immer nur den einen.
Von dieser Weissagung geleitet, tauchen immer wieder Gedankengänge auf, die einem nicht aus dem Kopf gehen. Wäre es Musik, dann spräche man von einem Ohrwurm. Geht es um profane Dinge des Alltags, dann können die schon mal ziemlich lästig sein und da ist es nötig, die möglichst schnell zu erledigen – uff, wieder ein wenig Luft. Was kommt dann? Der Kalender. Ein Blick an die Wandtafel, da steht: Tasche packen. Aha, da war doch noch etwas, was eine gewisse Schwere gänzlich vergessen lässt ohne den Kopf anstrengen zu müssen, obwohl, wer ohne Kopf läuft, kommt nicht weit.
Soweit die Füße tragen, ist inzwischen mein Thema. Meist sind das trainingsmäßig zwischen 12 – 15 km, manchmal sogar weniger. Und wer Lust hat, ist dienstags und donnerstags mit dabei. Sonntags wird meist auch nicht ausgelassen. Hier sind allerdings immer andere Schuhe als die Berliner dran. Ja, meine Mitläufer*innen wissen das, Hotti, geborener, gelernter, aufgewachsener und ewig ansässiger Berliner und seit längerer Zeit auch noch assimilierter Halbsachse, obwohl die eigene (Berliner) Identität niemals aufgegeben wird. In Leipzig gibt es so gut wie keine Hügel, wo der Puls die 170 erreicht. Genau richtig für mich, denn mein Tempo wird nicht mehr von den Min./km bestimmt, sondern von long slow distance mit Niedrigpuls. Also ist nur Ausdauer gefragt. Und wer weiß, dass Langsamläufer auch ans Ziel kommen, kennt auch den Spruch „Nicht die Strecke tötet, sondern das Tempo“. Insofern hat der Fettdruck obenan schon jetzt seine Erklärung, denn früher war alles besser, schneller, intensiver, strebsamer und immer mit dem schielen Blick, wen man alles hinter sich gelassen hatte. Das hat sich gewandelt, ist nicht verkehrt und das Vergnügen kommt obendrein.
Schaun mer mal, was heute so abgeht.
Vielleicht liegt es am Wetter. Kein richtiger Winter, immerzu Sturm, umgestürzte Bäume, unzählbar, wenn da die Stimmung nicht herunter geht, wann dann? Von Corona zu sprechen ist nicht mehr nötig, wir haben bereits alles verinnerlicht. Gemessen an dieser Gemengelage noch irgendwo Fröhlichkeit oder richtig gute Laune vorzufinden, dürfte ausgerechnet heute am 2.2.22, wenige Tage bevor der Rhein wieder einmal bis zum Aschermittwoch umgeleitet wird, unwirklich und aufgesetzt wirken. Also sind wir als Karneval ungeeignete Preußen zu anderem Tun und Denken förmlich verpflichtet. Letzteres ereignete sich am verabredeten Ort, wie immer am Mommsenstadion zu Berlin. Was wäre, wenn wir diese Heimstätte nicht oder ganz schlimm, nicht mehr hätten? Besser, darüber nicht nachzudenken.
Ich glaube, es sind inzwischen drei, vier verschiedene Gruppen, die sich jeweils immer eigene Tempoziele und zugleich Streckenprofile setzen. Die Laufstrecken variierten zwischen 6/8/12/16 km. Das Wiedersehen erfolgt meist erst unter der Dusche - äääh, Männlein und Weiblein getrennt, so viel Respekt muss sein. Anschließendes Beisammensein findet so gut wie gar nicht mehr statt. Alle hoffen auf eine Wiederbelebung und sind sehnsüchtig nach dem Frühling.
Vorerst gibt es richtige Sorgen. Hoffen wir inständig, dass die Kriegsgefahr jetzt auf europäischem Boden nicht auch noch zur Realität wird.
Und so schließe ich mit dem Hinweis auf das Rubrum als Trost. Das Heute ist bereits morgen, möglicherweise, bereits vergessen und somit findet alles, egal was, sein Ende. Das ist Zeit, denn diesen Begriff verstehen manche Menschen überhaupt nicht. Ich mache es einfach: Ein Brot, das du heute kaufst oder eine Nachricht, die soeben aus dem Klicker auf dich zukommt, ist morgen von gestern. Heute, was ist das schon? Bumms, morgen ist immer aktueller. Finden wir uns damit ab, weil alles zu Ende geht?
Bestimmt nicht.
Horst