Hase und Igel
Es war an einem Dienstagmorgen im Mittwinter, gerade als es weder Schnee noch Frost, sondern nur trübes mit Regenaussicht gefärbtes Wetter gab. Das war heute. Fleißige Leute gehen dem Broterwerb nach, ohne zu fragen wie das Wetter werden wird. Diejenigen, die diese Regeltätigkeit pflichtgemäß längst erfüllt haben, könnten sich gemütlich zurücklehnen und abwarten, was der Tag bringen wird oder es eben auch besser ist, sich bewegen. Tja, derartige Entscheidungen, zumal im fortgeschrittenen Alter, zu fällen, ist nicht ganz einfach. Nun bin ich in der glücklichen Lage, darüber gar nicht nachdenken zu müssen. Ich mache einfach, was mir gefällt. Beneidenswert? Aber sicher, während anstehende Anderweitigkeiten etwas warten müssen. Und da ich dieses BEWEGEN schon mit der Muttermilch eingesogen habe, komme ich davon auch nicht mehr weg.
Dagegen gibt es genügend Leute, die eine ganz eigene Art der Bewegung bevorzugen, indem sie einfach das Weite suchen. Hauen einfach für ein paar Tage, im besten Sinne eine ganze Woche und im allerschlimmsten Fall ein ganzes Vierteljahr aus unseren Gefilden ab. Und das in diesem Winter oder gerade deshalb? Wie auch immer, es überkommt einen, wenn man ins Detail geht. Das lasse ich besser.
Für heute hatte ich mir vorgenommen, nicht nur drauflos ins Waldige zu laufen, obschon sich das bei Start-/ und Zielgleiche Mommsen kaum vermeiden lässt. Erst einmal parallel zur Heerstr. in die Lykallee. Herrlich, da geht es erst einmal abwärts, die Schritte werden leichter, fast so, wie früher. Abwarten, es wird schwieriger. Als wir die Kranzallee antippen, geht es rechts ab über die ampelgesteuerte Heerstr. in die Flatowallee und gleich links weg in den Ch.-Dickens-Weg, vorbei am Paulinen-Krkhs. bis zur Schirwindter Allee. Alles Alleen, weil baumbestanden. Derweil sind wir bereits am Scholzplatz angelangt, wo der Sendemast des RBB (Rundfunk und TV, Höhe 230 + 73m ü. Normalnull) steht. Und wenn man ein bisschen sucht (gleich hinter der Aral-Tankstelle), dann führt wahrscheinlich nur den Anwohnern der Hochhäuser Heerstr. im Dreh und bei Überquerung der Glockenturmstr. ein bekannter Trampelpfad auf leichter Anhöhe bis genau zum Abstieg auf verschlungenem Weg zur Havelchaussee.
Unten angekommen, gucken wir der Stößenseebrücke unter den Rock. Fällt doch wohl nicht unter Sexismus!? Im Gegenteil, der Bau ist ganz nüchtern etwas für Konstruktions-Interessierte. Steht man drunter, dann kommt sofort die Verbindung zu Gustave Eiffel von wegen dat Türmsche in Paris auf. Und so schön in Rostgrün angemalt wie unsere Brücke von unten, ist der Eiffelturm nicht. Wir also untendurch und weiter auf der Havelchaussee bis zur Schule am Postfenn. Da begann ein bisschen Bergsteigen, so steil gings hoch. Der Ausgleich kommt im Grunewald behände, denn wer hochläuft, darf auch wieder runter. So tasten wir uns bis zur Kreuzung Alter Postweg und dem Weg zur Kiesgrube. Sechs waren wir bisher, nun teilten wir uns drei ./. drei. Die einen wählten die Direttisima zum Mommsen, zwei Begleiterinnen (Cornelia und Kristina) und meine Wenigkeit nahmen 2 km mehr in Kauf; gesamt fast 12.
Und wie war das mit Hase und Igel? Kam ja gar nicht vor. Die Pointe kommt doch immer zum Schluss: Unser Hase Kristina läuft sehr gerne einen Schritt voraus, wenn sie weiß, wo es lang geht. Wir, die Igel, traben brav hinterher. Doch manchmal (bei einem Abzweig) ist ein Igel vorneweg und ruft „bin schon da“. So wäre es normalerweise auch heute gewesen, doch da die Strecke nicht bekannt war, liefen Hase und Igel schön zusammen. Die letzten beiden km spielten keine Rolle mehr. Und weil das so war, kamen alle unbeschadet ans Ziel.
Wer das Märchen nicht kennt: Der Hase hat sich totgerannt und der Igel hat mit seiner Frau geschummelt. Nachzulesen bei den Gebrüdern Grimm. Der Vergleich hinkt natürlich, aber der Gedanke kam mir einfach in den Sinn für eine etwas andere Überschrift, und dass Kristina etwa willfähriges Opfer geworden wäre, käme niemand in den Sinn. Wir schätzen sie sehr. Muss doch einmal gesagt sein, wie so manches, was im Verborgenen blüht.
Horst